Föderale Demokratie

Über das Verhältnis von Föderalismus und Demokratie bestehen in Wissenschaft und Praxis viele Unklarheiten. Normativ betrachtet ergänzen sich beide Prinzipien der politischen Ordnung. Empirisch-analytisch betrachtet implizieren sie jedoch verschiedene institutionelle Dimensionen und Verfahren eines Regierungssystems, zwischen denen Spannungen und Konflikte bestehen. Föderalismus verwirklicht sich notwendigerweise in Mehrebenenpolitik, die demokratische Kontrolle durch Parlamente und Wählerschaften erschwert. Demokratie wiederum beeinträchtigt das Zusammenwirken der Regierungen im Föderalismus, wenn diese weder verhandlungs- noch anpassungsfähig sind, weil sie dem Willen ihrer Parlamenten oder Wählerschaften folgen.

Doch trotz dieser Schwierigkeiten leiden föderale Demokratien nicht an einem unvermeidlichen Effektivitäts-Legitimitäts-Dilemma, wie dies oft behauptet wird. Zwar operieren Föderalismus und Demokratie nach unterschiedlichen Regeln und Entscheidungsmechanismen. Doch begründen diese Prinzipien politischer Ordnung keine statischen Institutionen, sondern dynamische Struktur-Prozess-Zusammenhänge.

Inwieweit in einer föderalen Demokratie effektiv und legitim regiert wird, ergibt sich aus ihrer institutionellen Dynamik. Diese zeigt sich zum einen in der historischen Entwicklung besonderer Kombinationen von föderaler Ordnung und Demokratie, die mehr oder weniger eng gekoppelt und variabel sind. Zum zweiten beeinflussen gesellschaftliche Veränderungen das Zusammenwirken von Föderalismus und Demokratie, wenn sie den Koordinationsbedarf, Verteilungskonflikte und das Parteiensystem verändern. Zum dritten sind Machtverhältnisse zwischen föderalen und demokratischen Institutionen im Fluss, sei es durch Anpassung der Modi intergouvernementaler Politik oder durch Reaktionen und strategisches Handeln von Parlamenten.

In dem Projekt sollen unterschiedliche Muster föderaler Demokratien daraufhin untersucht werden, wie sie auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, insbesondere eine zunehmende Interdependenzen zwischen Ebenen bzw. eine asymmetrische Regionalisierung reagieren und wie sie das Spannungsverhältnis von Föderalismus und Demokratie austarieren. Hiervon ausgehend soll herausgefunden werden, wie eine robuste Balance effektiver Mehrebenenpolitik und demokratischer Legitimation erreicht und aufrechterhalten werden kann.

Publikationen

- Benz, Arthur, 2021: Squaring the Circle? Balancing Autonomy and Intergovernmental Relations in Federal Democracy; in: Andrew C. Banfield, Tracy B. Fenwick (Hrsg.), Beyond Autonomy: Practical and Theoretical Challenges to 21st Century Federalism; Leiden: Brill, 11-26.

- Benz, Arthur, 2020: Föderale Demokratie, Baden-Baden: Nomos

- Benz, Arthur, 2020: Reconciling Federalism and Parliamentary Democracy. Political Competition and Negotiated Policy-making in Canadian Federalism, in: Alain-G. Gagnon, Johanne Poirier (Hrsg.), Canadian Federalism and its Future. Actors and Institutions, Montreal, Kingston: McGill-Queen’s University Press, 199-222.

- Benz, Arthur, 2019: Demokratisches Regieren im Föderalismus: Neue Literatur zu einem alten Thema, in: Neue Politische Literatur 64 (3): 513-535.

  Name Arbeitsgebiet(e) Kontakt
Emeriti / im Ruhestand
Prof. Dr. Arthur Benz
Politisches System der BRD und Vergleich politischer Systeme