Politikverflechtung

Varianten und Dynamiken der Politikverflechtung

Der Begriff „Politikverflechtung“ bezeichnet ein für den deutschen Bundesstaat typisches Muster der Bund-Länder-Koordination. Diese erfolgt in Verhandlungssystemen, in denen die beteiligten Regierungen sich einigen müssen, weil sie die betreffenden Aufgaben nicht allein erfüllen können. Der Theorie der Politikverflechtung von Fritz W. Scharpf zufolge bewirken diese besonderen institutionelle Bedingungen, dass Regierungen Konflikte vermeiden und deswegen Probleme nicht lösen können. Allerdings wies Scharpf bereits auf Varianten der Verflechtung hin. Seit der Publikation seiner Studien im Jahre 1976 haben sich zudem wichtige Rahmenbedingungen verändert. Diese Veränderungen sowie die Varianten der Politikverflechtung waren Gegenstand der Untersuchung.

Die in dem Projekt durchgeführten Studien zu ausgewählten Politikfeldern erfassten Formen der horizontalen und hierarchischen Politikverflechtung sowie Verbundsysteme. Sie zeigen, dass sich Koordinationsmuster bzw. Politikinhalte veränderten, trotz eines hohen Maßes an institutioneller Stabilität.

In der Schul- und in der Haushaltspolitik erschwerten bis zur deutschen Einheit parteipolitischer Kontroversen eine effektive Koordination. Inzwischen erfolgt diese durch eine Mischung aus Verhandlungen und Leistungswettbewerben. So verdrängten internationale Vergleiche der Schülerleistungen die früher dominierenden Richtungskonflikte über Schulformen. Die Haushaltskoordinierung funktioniert durch die vergleichende Bewertung der finanziellen Lage der Länder und des Bundes auf der Grundlage anerkannter Kennziffern. Parteikonflikte verlagerten sich damit in die Gebietskörperschaften und ihre Parlamente hinein, während in intergouvernementalen Verhandlungen Verfahren der „output“-Steuerung zur Entpolitisierung beitragen. Diese Veränderung der Koordinierungsmodi wurde in besonderen Entscheidungsarenen induziert, in denen statt über Politikinhalte über Regeln und Verfahren verhandelt wurde. In der Haushaltspolitik wurden wesentliche Weichen in der Föderalismuskommission II gestellt. In der Schulpolitik bereitete eine informelle Gruppe von Bildungspolitikern den relevanten Konstanzer Beschluss von 1997 vor.

Im Unterschied hierzu haben sich die Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der Regionale Wirtschaftsstruktur“ und „Agrarstruktur und Küstenschutz“ kaum verändert, was angesichts des starken Einflusses der europäischen Politik in diesem Bereich erstaunlich ist. Europäische Vorgaben erforderten zwar eine Anpassung an Förderperioden und Förderinstrumente der Europäischen Kommission. Die angestrebte Umstellung der Aufgaben auf eine Koordination der nationalen Strukturpolitik gegenüber der EU gelang aber nur partiell. Nach wie vor dominieren die Routinen der Mittelverteilung zwischen den Ländern. Diese sind inzwischen gut eingespielt und reproduzieren sich selbst. Die „Anlagerung“ der europäischen Struktur- und Agrarpolitik an die Gemeinschaftsaufgaben haben kaum zu institutionellen Veränderungen geführt. Die Politikverflechtung verhinderte in diesem Politikfeldern aber nicht notwendige Anpassungen der Mittelverteilungen oder Ziele der Förderung.

Publikationen

  • Benz, Arthur, Detemple, Jessica, Heinz, Dominic, 2016: Varianten und Dynamiken der Politikverflechtung, Baden-Baden: Nomos.
  • Benz, Arthur, Heinz, Dominic, 2015: Managing the economic crisis in Germany: Building multi-level-governance in budget policy; Revue Internationale de Politique Comparée 23 (3), 355-378.
  • Heinz, Dominic, 2014: Stabilitätsrat und Politikverflechtung in der Haushaltspolitik: Institutionelle Reform mit Politikwechsel?; Zeitschrift für Politik (Sonderband 6), 181-203.
  • Heinz, Dominic, 2015. Politikverflechtung in der Schulpolitik: Koordination im Wandel, in: Politische Vierteljahresschrift 56 (4), 626-647.
  • Heinz, Dominic, 2016. Coordination in budget policy after the Second Federal Reform: Beyond Unity and Diversity; German Politics 25 (2), 286-300.
  • Wolf, Frieder, Heinz, Dominic 2016: Schulpolitik: Mehr Koordination und neue Unterschiede, Achim Hildebrandt, Frieder Wolf (Hrsg.), Politik in Bundesländern: Zwischen Föderalismusreform und Schuldenbremse, Wiesbaden: Springer.

Drittmittelgeber: Fritz Thyssen Stiftung

Laufzeit: 01.07.2012 – 31.01.2015

  Name Arbeitsgebiet(e) Kontakt
Prof. Dr. Arthur Benz
Professor im Ruhestand
Politisches System der BRD und Vergleich politischer Systeme
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Jessica Detemple
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Bild: Icons8
Dr. Dominic Heinz
Wissenschaftlicher Mitarbeiter