Verfassungsreform

Muster der Verfassungsreform von föderalen Strukturen

In dem Forschungsprojekt wurden Verfassungsreformen untersucht, die auf eine grundlegende Reform der territorialen Staatsorganisation in Bundesstaaten oder eine Regionalisierung in Einheitsstaaten zielten. Solche Reformen dienen dazu, ineffektive Zentralisierung oder Ebenenverflechtungen abzubauen oder Konflikte in einem multinationalen Staat zu reduzieren. In jedem Fall sind sie mit einer Umverteilung von Macht zwischen Regierungen und Parlamenten verbunden, weshalb sie als besonders schwierig gelten.

Vielfach wird angenommen, dass diese Schwierigkeiten einer Reform mit den formalen Regeln der Verfassungsänderung zu erklären sind. Vergleichende Untersuchungen konnten diese Annahme aber nicht bestätigen. In dem Projekt wurden daher die Strukturen und Verfahren von Verfassungsverhandlungen genauer analysiert. Dabei zeigte sich, dass Verfassungsreformen umso effektiver sind, je komplexer die Verhandlungsstrukturen sind. Nicht, wie in Diskussionen immer wieder gefordert, ein großer Verfassungskonvent, und auch nicht die üblicherweise eingerichteten Verfassungsausschüsse der Legislative oder der Exekutive erweisen sich als Erfolg versprechend. Vielmehr sind es in erster Linie Verhandlungen, in denen politische, administrative und gesellschaftlichen Vertreter in separaten, aber im Prozess miteinander verbundenen „Arenen“ beteiligt werden und die geeigneten in Sequenzen ablaufen. Sie bieten Gelegenheiten, sowohl innovative Reformvorschläge zu generieren als auch Gelegenheiten, Interessen auszugleichen, verhindern aber, dass von vornherein nur „durchsetzbare“ Vorschläge formuliert werden und Machtinteressen der Regierungen und Parteien dominieren.

Die Untersuchung zeigte auch, dass föderale Verfassungsreformen in der Regel nicht scheitern, wie dies aufgrund von politikwissenschaftlichen Theorien zu vermuten wäre. Vielmehr enden sie häufig mit formalen Verfassungsänderungen. Allerdings werden sie vielfach in Ausschüssen der Legislative oder unter Parteiführern ausgehandelt, wobei dann wenig effektive Änderungen beschlossen werden. In mononationalen Staaten verfestigen sie so den Status quo, in multinationalen Föderationen können sie zur weiteren Destabilisierung führen. Solche Folgen lassen sich vermeiden, wenn inklusive und differenzierte Verhandlungsstrukturen und –verfahren genutzt werden. Die in ihnen gefundenen Ideen und Reformvorschläge können nachhaltig die Verfassungsentwicklung beeinflussen, selbst wenn formale Änderungen des Verfassungsrechts scheitern.

Bücher

− Benz, Arthur, 2016: Constitutional Change in Multilevel Government: The Art of Keeping the Balance (in cooperation with Andrea Fischer-Hotzel, Dominic Heinz, Eike-Christian Hornig, Jörg Kemmerzell, Bettina Petersohn), Oxford: Oxford University Press.

− Arthur Benz, Knüpling, Felix (eds.), 2012: Changing Federal Constitutions. Lessons from International Comparison, Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich Publishers, 2012

− Benz, Arthur, César Colino (eds.), 2011: Federalism and Constitutional Change: Theoretical and Comparative Perspectives, “Regional and Federal Studies” Special Issue 21 (4-5), London: Routledge.

− Behnke, Nathalie, Benz, Arthur (eds.), 2009: The Politics of Constitutional Change between Reform and Evolution; Publius: The Journal of Federalism 39 (2), 213-240.

− Heinz, Dominic, 2013: Politikverflechtung in Föderalismusreformen. Deutschland, Österreich und die Schweiz in vergleichender Perspektive, Baden-Baden: Nomos

− Fischer Hotzel, Andrea, 2013: Vetospieler in territorialen Verfassungsreformen. Britische Devolution und französische Dezentralisierung im Vergleich, Baden-Baden: Nomos.

− Bettina Petersohn, 2013: Konfliktregulierung in multinationalen Demokratien, Föderalismus und Verfassungsreformprozesse in Kanada und Belgien im Vergleich, Baden-Baden: Nomos

Aufsätze

− Behnke, Nathalie, Fischer-Hotzel, Andrea, Heinz, Dominic, Petersohn, Bettina (2011): Measuring Success of Constitutional Reforms: Evidence from Territorial Reforms in Eight Western Democracies; Regional and Federal Studies 21 (4-5), 447-477.

− Benz, Arthur, 2016: Gradual Constitutional Change and Federal Dynamics – German Federalism Reform in Historical Perspective; Regional and Federal Studies 26 (5), 707-728.

− Benz, Arthur, 2013: Balancing Rigidity and Flexibility: Constitutional Change in Federal Systems; West European Politics 36 (4), 726-749.

− Benz, Arthur, 2011: Escaping Joint-Decision Traps: National and Supranational Experiences Compared, in: Gerda Falkner (ed.), The EU’s Decision Traps: Comparing Policies Oxford: Oxford University Press, 199-216.

− Benz, Arthur, 2011: Das Zusammenspiel der Ebenen beim expliziten und impliziten Verfassungswandel, in: Christoph Hönnige, Sacha Kneipp, Astrid Lorenz (Hrsg.), Verfassungswandel im Mehrebenensystem, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 21-40.

− Benz, Arthur, 2008: From Joint Decision Traps to Over-regulated Federalism – Adverse Effects of a Successful Constitutional Reform; German Politics 17 (4), 440-456.

− Benz, Arthur, Colino, César (2011): Federalism and Constitutional Change: Theoretical and Comparative Perspectives; Regional and Federal Studies 21 (4-5), 381-406.

− Heinz, Dominic, 2012: Varieties of Joint Decision Making: The Second Federal Reform, in: German Politics 21 (1), 129-142

− Heinz, Dominic, 2011: Politikverflechtung im Verhandlungsprozess der Föderalismusreform II, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen (Hrsg.). Jahrbuch des Föderalismus. Baden-Baden: Nomos, 181-191

− Bettina Petersohn (2011): Konfliktakkommodierung bis zur Selbstaufgabe? Stabilität und Dynamik der Verfassungsentwicklung in Belgien; Politische Vierteljahresschrift 52 (2), 195-219.

Drittmittelgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Laufzeit: 01.04.2008 – 29.02.2012

Projektleitung:

Prof. Dr. Arthur Benz

MitarbeiterInnen:

Behnke, Nathalie (bis Juni 2009)

Fischer-Hotzel, Andrea

Heinz, Dominic

Hornig, Eike-Christian (Oktober 2009 bis September 2010)

Kemmerzell, Jörg (Oktober 2010 bis August 2011)

Petersohn, Bettina