Das Rechtfertigungsnarrativ des „guten funktionalen Regierens“

In diesem Projekt wird die Entstehung und Anatomie des Rechtfertigungsnarrativs des guten funktionalen Regierens untersucht, das auf internationaler Ebene als wichtigster Widersacher einer Legitimationsbegründung durch demokratische Verfahren gelten kann. In der aktuellen Debatte über das demokratische Defizit internationalen Regierens wird von einigen Autoren die Ansicht vertreten, dass sich internationales Regieren auch ohne parlamentarische Verfahren der Regelsetzung, ohne direkte Bürgerbeteiligung oder verstärkte Kontrolle der Exekutive legitimieren ließe. Insbesondere Giandomenico Majone und Andrew Moravcsik reden einer vorwiegend funktionalen, Output-orientierten Legitimation internationaler Organisationen und der Europäischen Union das Wort. Diese Institutionen werden dabei verstanden als technische Agenturen, die von den nationalen Exekutiven mit eng begrenzten Mandaten der Regelsetzung und –anwendung ausgestattet sind. Ihre Unabhängigkeit vom politischen Alltagsgeschäft und ihr technokratischer Charakter werden dabei als Vorteil, nicht als Nachteil gedeutet. Eine „Demokratisierung“ oder „Politisierung“ internationaler Organisationen ist in dieser Sichtweise nicht notwendig und geradezu gefährlich, denn sie würde internationale Organisationen politischen Dynamiken und Verteilungskämpfen öffnen, die sie nicht erfolgreich bearbeiten können.

Ziel dieses Projektes ist es, das Legitimationsnarrativ des guten funktionalen Regierens in historischer Perspektive zu erkunden, ist doch bisher recht wenig über seine Entstehungsgeschichte und die daran beteiligten Autoren bekannt. Analysiert wird akademische und politische Literatur, mit der internationales Regieren gegenüber den Zeitgenossen legitimiert werden sollte. Drei Arbeitsschritte strukturieren dieses Projekt, nämlich erstens die Analyse der Entstehung des Narrativs in historischer Perspektive, zweitens die Analyse seiner Elemente und drittens die möglichen (In-)kompatibilitäten mit gegenwärtig diskutierten Demokratisierungsstrategien. Es geht in diesem Projekt also nicht nur um die ideengeschichtliche Nachzeichnung der Entstehung der funktionalistischen Spielart des Internationalismus und das Aufzeigen von Kontinuitäten. In analytischer Absicht, und auch im Hinblick auf die gegenwärtige Debatte zum demokratischen Defizit, müssen die wichtigsten Elemente dieses Legitimationsnarrativs noch deutlicher herausgearbeitet werden. In dieser Hinsicht lassen sich zu Projektbeginn provisorisch fünf Themenkomplexe identifizieren, die in der funktionalistischen Literatur zu internationalen Organisationen immer wieder aufzufinden sind:

1. Gesellschaftliche Modernisierung und Rationalisierung

2. Internationale Interdependenz und der Bedarf an Kooperation

3. Wissenschaftliche Expertise und Fachkompetenz

4. Bedeutung von Verfahren und Herrschaft des Rechts

5. Entpolitisierung internationaler Zusammenarbeit

Drittmittelgeber:

DFG – Exzellenzcluster

„Die Herausbildung normativer Ordnungen“

  Name Arbeitsgebiet(e) Kontakt
Prof. Dr. Jens Steffek
Transnationales Regieren
+49 6151 16-57357
S3|12 431
Dr. Leonie Holthaus
Transnationales Regieren
S3|12 534